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    Werner Seitz

    «Die Wahlen im Kanton Bern 2002: Analyse und Kommentar zu den Regierungsrats- und Grossratswahlen»
    Referat gehalten an der Delegiertenversammlung der Sozialdemokratischen Partei des Kantons Bern, am 24. April 2002.



    Selten spielten sich Wahlen auf einem derart peripheren Schauplatz ab wie die jüngsten Regierungs- und Grossratswahlen in Bern. Die Medien berichteten zwar im Vorfeld ausführlich über die Parteien und die Kandidaturen, erstellten Portraits der Wahlkreise und eruierten mittels Meinungsumfrage gar die politischen Probleme aus Sicht der Bernerinnen und Berner – eine Wahlkampfstimmung kam jedoch nicht auf. Wer zum Beispiel die Samstagsausgaben der beiden Bernischen Zeitungen vor dem Wahltag gelesen hat, merkte nicht, dass an diesem Wochenende Wahlen stattfanden – Wahlen, in einem Kanton notabene, in dem fast eine Million Menschen wohnen und der, aufgrund seiner finanziell pitoyablen Situation, in die untere Liga der Schweizer Kantone transferiert wurde.
    Nicht unerwartet brachten diese Wahlen nur geringe parteipolitische Veränderungen und die Wahlbeteiligung erreichte mit weniger als 30% ein neues Rekordtief. Ich möchte dies hier nicht beklagen, sondern will vielmehr versuchen, in den nächsten zwanzig Minuten etwas unter den Deckel dieser politischen Stabilität zu blicken und einige interessante Facetten der Regierungs- und Grossratswahlen zu präsentieren.
     
     

    1 Die Regierungsratswahlen

    Nach dem Urnengang vom 14. April 2002 bleibt die Berner Regierung fest in bürgerlicher Hand. Wie schon bei den vergangenen Wahlen in den neunziger Jahren hat die rotgrüne Liste ihr Wahlziel, ein drittes Mandat in der Regierung zu erobern, klar verfehlt; es gelang ihr einzig, wie bisher, zwei Mandate zu halten.
    Dieser Wahlausgang hat den rotgrünen Kräften erneut vor Augen geführt, wer im Kanton Bern das Sagen hat: die bürgerlichen Parteien. Dabei ist die Mehrheit von SVP und FDP zweifach abgestützt: Sie verfügt einerseits über eine Mehrheit der WählerInnen – vor allem auf dem Land – und sie kann sich andrerseits dank dem Majorzwahlsystem auch relativ komfortabel behaupten; sie kann gegenüber der SP gar einen freiwilligen Proporz üben und ihr zwei Mandate zugestehen – jene zwei, welche die SP am vorletzten Wochenende erhalten hat.
    Im Folgenden möchte ich die jüngsten Regierungsratswahlen mit den Regierungsratswahlen von 1994 und 1998 vergleichen und anhand von drei Feststellungen bzw. Thesen beleuchten.
     

    1) Im Gegensatz zu früheren Regierungsratswahlen gab es bei den Wahlen 2002 keinen Strahlemann und keine Strahlefrau: Die Bestgewählten in beiden Lagern erhielten, trotz nur wenig niedriger Wahlbeteiligung (– 1 Prozentpunkt), deutlich weniger Stimmen als bei früheren Wahlen

    Folie 1: Die Ergebnisse der Kandidierenden bei den Regierungsratswahlen 1994, 1998 und 2002

    Dora Andres (FDP) erhielt als Bestgewählte 101'500 Stimmen – das sind rund 20'000 Stimmen weniger als die Bestgewählten 1998 und 1994 erhielten, und Samuel Bhend (SP) lag mit 75'000 Stimmen gar 25'000 Stimmen hinter der bestgewählten Dori Schär (SP) von 1998 bzw. 20'000 hinter seinem eignen Ergebnis von 1998.
    (Anmerkung: 1% Wahlbeteiligung entspricht etwa 7'000 möglichen Stimmen)

    2) Erzielten bei früheren Wahlen meistens die Neugewählten die schlechteren Ergebnisse, so wurden diesmal relativ viele – gezielte – «Strafzettel» verteilt: Namentlich die Bisherigen Zölch, Annoni und Bhend kamen mit eher bescheidenen Wahlergebnissen aus den Wahlen
    Betroffen von Strafaktionen waren bei den Bürgerlichen Elisabeth Zölch (SVP) und Mario Annoni (FDP): Sie lagen mit 95'300 bzw. 88'000 Stimmen hinter Dora Andres, Urs Gasche und Werner Luginbühl, welche zwischen 101'500 und 100'200 Stimmen erhielten.
    Einen deutlichen Denkzettel erhielt auch der Sozialdemokrat Samuel Bhend: Mit seinen 75'000 Stimmen lag er nur 5'000 Stimmen vor der nicht-gewählten Franziska Teuscher und, wie schon erwähnt, 20'000 Stimmen hinter seinem Ergebnis von 1998. Die rotgrüne Liste erhielt dadurch ein kompaktes Erscheinungsbild: Bhend und Pulver, den Letztplatzierten, trennen gerade gute 10'000 Stimmen.

    Die fehlenden Spitzenergebnisse und die gezielten Strafzettel lassen – zusammen mit der niedrigen Wahlbeteiligung – darauf schliessen, dass wohl hauptsächlich interessierte StammwählerInnen zur Urne gegangen sind.
     

    3) Wie bei früheren Wahlen waren die rotgrünen Kandidierenden auch diesmal nur in den Städten Bern und Biel stärker als die bürgerlichen Kandidierenden

    Folie 2: Die Ergebnisse der Kandidierenden bei den Regierungsratswahlen 2002, nach Zählkreisen

    Die besten Ergebnisse erzielten die Rotgrünen in Biel und, etwas schwächer, in Bern:
    In Biel belegten die Rotgrünen die Plätze 1–5: Samuel Bhend (1. Platz), Chantal Bornoz-Flück (2.). Barbara Egger (3.), Franziska Teuscher (4.) und Bernhard Pulver (5.)
    Gut war das Ergebnis der Rotgrünen auch in Bern (Stadt und Land zusammen): Auch hier war Samuel Bhend auf dem 1. Platz, gefolgt von Barbara Egger (2. Platz); Franziska Teuscher hielt den 5. Platz (die Plätze 3 und 4 gingen an Dora Andres und Urs Gasche).
    In den anderen 24 Zählkreisen – ausgenommen Courtelary (Bornoz-Flück: Platz 2) und Nidau (Bhend: Platz 5) – lagen die fünf Bürgerlichen ausschliesslich auf den Plätzen 1–5.
    Die Spaltung «links–rechts verläuft also tendnzieentlang der Spaltung «Stadt–Land».
     

    Noch einige Anmerkungen zum Wettlauf um das zweite rotgrüne Mandat, dem wohl einzig spannenden Moment im Wahlkampf um die Regierungsmandate:
    Im Wettlauf um das zweite rotgrüne Mandat waren drei Frauen beteiligt: Barbara Egger, Franziska Teuscher und Chantal Bornoz-Flück. Sie lagen am Schluss nur gerade 2'700 Stimmen auseinander.

    • Eine der wenigen Belebungen erfuhr der Wahlkampf durch das resolute Auftreten von Chantal Bornoz-Flück, welche es anpeilte, Mario Annoni in den jurassischen Zählkreisen (Courtelary, Moutier, La Neuveville) entscheidend zu schlagen und dabei den verfassungsmässig garantierten Jura-Sitz zu holen. Chantal Bornoz-Flück hat ein respektables Ergebnis erzielt – doch Mario Annoni holte in jedem Zählkreis des Kantons mehr Stimmen, auch in den drei jurassischen (in diesen erhielt Annoni insgesamt 5'600 Stimmen, Chantal Bornoz-Flück 4'300). Immerhin, in Courtelary holte Bornoz-Flück am zweitmeisten Stimmen.
    • Am Wahltag selber stand jedoch der Wettlauf Egger – Teuscher im Zentrum des Interesses; Barbara Egger gewann ihn schliesslich hauchdünn mit 1'500 Stimmen Vorsprung. Die Unterschiede der Ergebnisse in den einzelnen Zählkreisen waren meistens sehr gering: Nur gerade in fünf Zählkreisen gab es Stimmendifferenzen von mehr als 100: In diesen fünf Zählkreisen lag jedoch immer Barbara Egger vorne: In Bern (mit über 1'000), mit je etwas über 100 in Fraubrunnen, Nidau, Moutier und Courtelary.
    • Das Ergebnis von Franziska Teuscher belegt übrigens, was schon Ruedi Baumann mit seiner Kandidatur von 1994 bewiesen hat: Grüne mit einem nationalen Bekanntheitsgrad sind auf rotgrünen Regierungsratslisten nicht a priori chancenlos.

     
     
       

2 Die Grossratswahlen

    Die Grossratswahlen möchte ich in vierfacher Hinsicht analysieren:
    1. Im Vergleich mit den letzten Wahlen 1998
    2. Im Vergleich mit den Wahlen der letzten 16 Jahre (1986 / 2002)
    3. mit einem Blick in die einzelnen Wahlkreise
    4. hinsichtlich der gewählten Frauen
     
     
    2.1 Die Grossratswahlen 2002 im Vergleich mit den letzten Wahlen 1998

    Folie 3: Parteienstärke bei den Grossratswahlen 1998 – 2002

    Ein Vergleich der aktuellen Stimmenanteile der Parteien (Parteienstärke) mit jenen der letzten Wahlen von 1998 ergibt zwei Befunde:
    1: Nur geringe Veränderungen bei den grossen Parteien:

    • Die SP war stabil bei 26,4% (–)
    • Die SVP erzielte eine Parteistärke von 31,8% (+0,1 Punkt); die FDP von 17,5% (–0,5 Punkte). Zusammen mit der CVP vereinigen die bürgerlichen Parteien weiterhin gut 50% aller Stimmen (50,3%).
    Die geringe Veränderung der grossen Parteien hat zur Folge, dass SP und Bürgerliche weiterhin – wie seit Jahren – 75% der Stimmen inne haben.

    2: Teilweise unerwartete Veränderungen ergaben sich bei den kleinen Parteien:

    • Erwartungsgemäss eingebrochen ist die FP: von 2,3% auf 0,3%; verloren haben auch die SD (–0,7 Punkte).
    • Profitiert von diesen Verlusten hat aber nicht, wie allenfalls erwartet werden konnte, die SVP, sondern EVP und Grüne (GB, JA und GFL): Diese steigerten sich zusammen um gute 4 Punkte (+1,5 Punkte für die EVP; +1,5 P für die GFL und +1 Punkt für das GB).

    Fazit: Durch diese Veränderungen ist das Lager der kleinen Rechtsparteien per saldo um 2,5 Punkte schwächer geworden (von 9,2% auf 6,7%); dasjenige der Grünen ist dagegen um 2,4 Punkte gewachsen, die EVP um 1,6 Punkte. Diese Veränderung kann wohl kaum mit WechselwählerInnen von Rechtsaussen zu den Grünen bzw. zur EVP erklärt werden, als vielmehr mit der Mobilisierungsfähigkeit von Grünen und EVP und mit der Mobilisierungsschwäche der kleinen Rechtsaussen.
     
     

    2.2 Die Grossratswahlen 2002 im Vergleich mit den Wahlen seit 1986

    Folie 4: Parteienstärke bei den Grossratswahlen 1986 – 2002

    Drei Fakten fallen beim Blick in die Entwicklung der Parteienlandschaft der vergangenen 16 Jahre auf:

    1. Die rotgrüne Parteien bewegten sich in diesem Zeitraum zwischen 32% und 36%; sie haben 2002 also einen Höchststand erreicht.
    Ein Blick auf die einzelnen Parteien:

    • Die Grünen (GB, GFL, GPB) hatten zusammen schon einmal eine Parteienstärke von 10% (1986 und 1990), dann sackten sie ab auf 7% (v.a, die GFL ist Schwankungen unterworfen; das GB ist stabiler)
    • Die SP steigerte sich seit 1986 von 23% auf 26%; dieses Wachstum kam 2002 zum Stillstand.


    2. Der LdU ist 2002 von der politischen Bühne verschwunden (1986: 2,3%). Dagegen hat sich die EVP in diesem Zeitraum von 4% auf 6% gesteigert, was ihr bestes Ergebnis darstellt.

    3. Die Bürgerlichen und die kleinen rechten Parteien bewegten sich in diesen 16 Jahren zwischen 57% und 60%. Mit ihren 57% haben sie den unteren Rand dieser Bandbreite erreicht.
    Ein Blick auf die einzelnen Parteien:

    • Die Bürgerlichen erzielten in diesem Zeitraum ziemlich konstante Ergebnisse (FDP: 17%–18%, SVP: 31%–32%; CVP: 1%–3%)
    • Die kleinen Rechtsparteien hatten in den neunziger Jahren mit 9% ihren Höchststand erreicht; jetzt liegen sie bei 7%: Massiv eingebrochen ist die FP, ebenfalls Verluste gab es bei der SD. Der kontinuierliche Anstieg der EDU ist 2002 etwas abgeflacht.


    Ein Blick auf die Veränderung der Parteienstärken zeigt, dass das Phänomen «Verluste bei den kleinen Rechtsparteien und Gewinne bei den Grünen (GFL)» – allerdings umgekehrt – schon in den neunziger Jahren zu beobachten war: Damals verlor die GFL und die FP legte zu. Wir haben es wohl primär mit der Mobilisierungsfähigkeit zu tun (Wählende / Nicht-Wählende). Dies dürfte damit zusammenhängen, dass Grüne wie kleine Rechte spezifische Themen besetzen und dass mit diesen – je nach Themenkonjunktur – Nicht-Wählende mobilisieren können.
     

    2.3 Ein Blick auf die Parteien in den Wahlkreise

    SP
    im Kanton hielt die SP per saldo den Stimmenanteil (26,4%) und die Mandatszahl (58)

    Stimmengewinne der SP, die zu Mandatsgewinnen führten (in vier Wahlkreisen):

    • La Neuveville (+9,8 Punkte; +1 Mandat)
    • Erlach (+4,3 Punkte; +1 Mandat)
    • Biel (+3,9 Punkte; +1 Mandat)
    • Konolfingen (+0,6 Punkte; +1 Mandat)
    Stimmengewinne auch in neun Wahlkreisen: Schwarzenburg (+5,9 Punkte), Trachselwald (+2,3 Punkte), Thun und Büren (je +2 Punkte) sowie in fünf weiteren Wahlkreisen.

    Stimmenverluste der SP, die zu Mandatsverlusten führten (in vier Wahlkreisen):

    • Nidau (–2,5 Punkte; –1 Mandat),
    • Moutier (–1,8 Punkte; –1 Mandat).
    • Bern-Stadt (–1,5 Punkte; –1 Mandat);
    • Interlaken (–; –1 Mandat);
    Stimmenverluste auch in zehn Wahlkreisen: in Oberhasli (–6,4 Punkte), Fraubrunnen (–3,9 Punkte), Obersimmental (–3,4 Punkte), Aarwangen (–3,2 Punkte), Laupen (–2,4 Punkte) und Aarberg (–2,2 Punkte) sowie in 4 weiteren Wahlkreisen.

    Fazit: Es erscheint schwierig, eine allgemeine Tendenz in diesen Gewinnen und Verlusten der SP zu sehen und allgemeine Schlüsse zu ziehen. Augenfällig sind jedoch die Stimmenverluste in der Stadt Bern – profitiert haben davon die Grünen, welche nun zusammen mit 24% nahe zur SP (30%) aufgeschlossen haben.
     

    SVP
    im Kanton legte die SVP leicht an Stimmen zu (+0,1 Punkte auf 31,8%) und steigerte sich um 1 Mandat (auf 67)
    Stimmengewinne der SVP, die zu Mandatsgewinnen führten (in vier Wahlkreisen):

    • Bern-Stadt (+3,4 Punkte; +1 Mandat)
    • Biel (+2 Punkte; +1 Mandat)
    • Nidau (+0,5 Punkte; +1 Mandat)
    • Saanen (–3,1 Punkte; + 1 Mandat)!!
    Stimmengewinne auch in folgenden Wahlkreisen: Bern-Land, Thun, Konolfingen, Burgdorf, Fraubrunnen, Büren, Obersimmental, Courtelary

    Stimmenverluste der SVP, die zu Mandatsverlusten führten (in drei Wahlkreisen):

    • Niedersimmental (–7,3 Punkte; – 1 Mandat)
    • Erlach (–6 Punkte; –1 Mandat)
    • Interlaken (–2,7 Punkte; – 1 Mandat)
    Stimmenverluste auch in folgenden Wahlkreisen: Laupen, Frutigen, Trachselwald, Schwarzenburg, Wangen, La Neuveville, Oberhasli, Signau, Aarwangen, Moutier.

    Fazit: Die SVP hat also vor allem in den Städten und Agglomerationen gewonnen, in den Randregionen dagegen eher verloren. Dies könnte damit erklärt werden, dass die SVP in den Städten, wo sie nicht so stark in die Regierungsverantwortung eingebunden ist, einen oppositionelleren Kurs – im Stile der Zürcher SVP – fährt (dieses Phänomen war schon bei den jüngsten Kommunalwahlen in der Waadt zu beobachten).
     

    Noch ein Blick auf die «kleinen» Wahlsieger

    1) GFL (+1,6 Punkte Stimmenanteil auf 6,2%; +1 Mandat auf 10 Mandate)
    Mandatsgewinne:

    • Interlaken (+1,3 Punkte; +1 Mandat)
    • Niedersimmental (+6,6 Punkte; +1 Mandat; dies ist eine beachtliche persönliche Leistung des wieder kandidierenden Lorenz Kunz!)
    Mandatsverlust in der Stadt Bern (trotz Stimmenzuwachs von 2,7 Punkten)
    Der Trend der GFL zu Stimmenverlusten scheint gebrochen.

    2) GB/JA/GPB (+0,8 Punkt Stimmenanteil auf 3%; +1 Mandat auf 6 Mandate)
    Mit dem Stimmen- und Mandatszuwachs wird das linksgrüne Segment in der Stadt Bern gestärkt. Zuwachs auch in Bern-Land (+1 Punkt auf 5,5%); leichte Verluste in Biel (–0,2 Punkte auf 8,2%).
     

    3) EVP (+1,6 Punkte auf 6,2%; +3 Mandate auf 11 Mandate)
    Die EVP eroberte drei zusätzlichen Mandate in

    • Fraubrunnen (+3,7 Punkte)
    • Aarwangen (+5,7 Punkte)
    • Aarberg (+6,5 Punkte)
    Dies sind alles Wahlkreise, welche aufgrund der Neuverteilung der Mandate im Kanton Bern ein zusätzliches Mandat zu vergeben hatten, wodurch die Stimmenschwelle für ein Mandat gesenkt wurde (das nenne ich einen intelligenten Wahlkampf!).
    Mit 6,2% ist die EVP nun die 5.stärkste Partei
     

    Fazit: Im neu gewählten Grossen Rat werden also die Stimmen der Grünen und der EVP etwas stärker sein, die Stimmen der Rechtsaussen etwas schwächer. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die beiden bürgerlichen Parteien weiterhin über mehr als die Hälfte aller Mandate verfügen (103).
     
    2.4 Die in den Grossen Rat gewählten Frauen

    Folie 5: In den Grossrat gewählte Frauen und Männer, nach Parteien (1974–2002)

    Allgemeine Entwicklung der Frauenrepräsentation im Kanton Bern
    Betrachten wir die Entwicklung der Zahl der in den Grossen Rat gewählten Frauen und Männer seit der Einführung des Frauenstimmrechts, so stellen wir für die siebziger und achtziger Jahre eine ähnliche Entwicklung fest wir in der gesamten Schweiz (im Nationalrat wie in den kantonalen Parlamenten).
    Seit 1994 jedoch werden in den Berner Grossen Rat mehr Frauen gewählt als in den Nationalrat bzw. in die anderen kantonalen Parlamente der Schweiz. Mit einem Frauenanteil von 30% liegt der Kanton Bern auf Platz 5 aller Kantone.

    Entwicklung der Frauenrepräsentation nach Parteien
    Analysieren wir diese Entwicklung im Berner Grossen Rat mit einem Blick auf die einzelnen Parteien, so sehen wir, dass die SP bis Mitte der achtziger Jahre zu den «lahmen Enten» gehörte: Noch 1982 fanden sich unter den 52 Gewählten der SP gerade 6 Frauen (Frauenanteil: 12%). Bis 1982 zum Beispiel hatte dagegen die FDP gleich viele oder gar mehr Frauen als die SP im Grossen Rat; in Prozenten war die FDP klar frauenfreundlicher als die SP.
    Mitte der achtziger Jahre veränderte sich die SP in mehrfacher Hinsicht und sie wandte sich neuen grünen und feministischen Themen zu. In der Folge stieg die Zahl der gewählten Frauen der SP deutlich an, und seit 1998 kann mit Fug von Geschlechter-Parität in der SP–Fraktion gesprochen werden (1998: 48%, 2002: 50%). Damit hat sich die SP den Grünen angenähert, welche bereits seit 1994 eine Frauenmehrheit in ihrer Grossrats-Delegation aufweisen.
    Gesteigert hat sich in den neunziger Jahren auch der Frauenanteil bei der FDP; er liegt jetzt bei 25%. Eine gegenläufige Tendenz weist dagegen die SVP auf, was – da die SVP die mandatstärkste Partei ist – besonders gravierend ist: Mit dem Verlust von 6 Frauenmandaten ist die SVP auf 10% Frauenanteil zurückgefallen; das ist wieder ein Stand wie in den achtziger Jahren! Dies kontrastiert deutlich mit der Absichtserklärung der SVP im Vorfeld der Wahlen, wonach sie den Frauenanteil auf 25% steigern wollte. Es ist nicht klar, ob dieser gleichstellungspolitische Rückfall der SVP auf einen Rechtsrutsch der Partei zurückzuführen ist oder ob der Parteiführung schlicht die Fähigkeit abgeht, deklarierte Gleichstellungspolitik auch umzusetzen.
    Angesichts dieser Entwicklung bei der SVP und mit Blick auf die kleinen Rechtsparteien, welche es nur ausnahmsweise schafften, dass eine ihrer Frauen gewählt wurde, ist zu befürchten, dass sich die Gleichstellungsfrage in der Politik erneut – wie in den späten achtziger und den neunziger Jahren – nach dem links-rechts-Schema akzentuiert. Es ist zu hoffen, dass die FDP hier etwas Gegensteuer gibt, und dazu beiträgt, dass Frauen nicht nur auf rotgrünen Wahllisten gleiche Chancen haben wie die Männer, gewählt zu werden, sondern ebenso auch auf den Listen der bürgerlichen Parteien.
     
     

    Schluss

    Soweit einige Facetten der jüngsten Wahlen im Kanton Bern. Es bleibt letztlich jedoch bei der eingangs gemachten Feststellung, dass diese Wahlen im Hinblick auf die parteipolitischen Kräfte in Regierung und Parlament – wie schon in den neunziger Jahren – kaum etwas verändert haben und dass das Interesse der Wahlberechtigten an der kantonalen Politik – im Gegensatz zu ihrer realen Bedeutung – weiter zurückgeht.