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Werner Seitz

Elemente der politischen Kultur der Schweiz. Eine Annäherung

Referat, gehalten vor dem Plenum der Jubiläumstagung zum 10-jährigen Bestehen des Instituts für Medienwissenschaft der Universität Bern, 1./2. November 2002

abgedruckt in: 
Blum Roger / Meier, Peter / Gysin, Nicole (Hg.), Wes Land ich bin, des Lied ich sing? Medien und politische Kultur, Berner Texte zur Kommunikations- und Medienwissenschaft, Band 10, Haupt Verlag, Bern 2006, S. 51–64.

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Diskussionen über die politische Kultur sind seit Jahrzehnten hoch im Kurs. Nicht nur bei politisch Interessierten, welche sich gerne über den «Zerfall der politischen Kultur» besorgt zeigen und gar «politische Unkultur» beklagen, sondern auch in wissenschaftlichen Kreisen. Dabei besteht in der (Politik-)Wissenschaft immer noch keine Einigkeit über Definition und wissenschaftliche Operationalisierung dieses Begriffs; je nach Fragestellung werden methodisch und konzeptionell andere Wege eingeschlagen. Max Kaases Vergleich des Konzepts der politischen Kultur mit dem «Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln», scheint nach zwanzig Jahren immer noch Geltung zu haben. Bevor ich im Hauptteil dieses Aufsatzes einige Elemente der politischen Kultur der Schweiz skizziere, werde ich daher die Grundzüge jenes Konzepts der politischen Kultur darstellen, welches ich – nach ausführlicher Beschäftigung mit diesem Thema (vgl. Seitz 1997) – als relevant für diese Fragestellung erachte.1)

 

1 Zum Konzept der politischen Kultur

Die politische Kultur ist primär – ähnlich wie die Sprache – räumlich bestimmt. Dieser Raum kann sich von kleinen Regionen bis hin zu den sieben bis acht Kulturkreisen erstrecken, die Samuel P. Huntington in seinem umstrittenen Buch über den Zusammenprall der Kulturen unterscheidet.2) Es gibt also zum Beispiel eine politische Kultur, welche typisch ist für Appenzell Innerrhoden, eine politische Kultur der Ostschweiz, der Deutschschweiz, der Schweiz, Westeuropas und eine politische Kultur der westlichen Zivilisation. Diese verschiedenen politischen Kulturen haben je unterschiedliche Relevanz, sie überlagern und durchdringen sich und brechen sich teilweise wie in einem Prisma.

 

1.1 Eine Annäherung in drei Schritten

a) Die politische Kultur stellt den politischen Orientierungsrahmen dar

Die politische Kultur zeichnet sich durch das aus, was Karl Marx zu Beginn seines «Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte» anmerkte: «Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden» (Marx 1852/1975: 115).3)

Die politische Kultur ist eine gesellschaftliche Tatsache, die bereits vorliegt und in welche die einzelnen Menschen hineingeboren, hineinsozialisiert werden. Sie ist den Individuen eines Kollektivs meistens nicht als solche bewusst, sondern wird als «selbstverständlich» betrachtet. Sie wird oft erst in jenem Moment ihrer «Selbstverständlichkeit» beraubt, in dem sie auf andere politische Kulturen mit anderen «Selbstverständlichkeiten» stösst.

Die politische Kultur besteht aus den grundlegenden Vorstellungen darüber, was überhaupt Politik ist. Sie bestimmt den Rahmen, in welchem das politische Denken und Handeln stattfindet, und legt die wesentlichen Werte der Politik fest, welche allerdings nicht politisch-ideologischer Art sind. Die politische Kultur macht es vielmehr erst möglich, dass sich politische Gegner überhaupt verstehen: Wenn sich zum Beispiel die politische Linke und Christoph Blocher streiten, wissen sie, worüber sie streiten, auch wenn sie unterschiedliche politische Meinungen haben – denn sie gehören derselben politischen Kultur an. Mit einer Person zum Beispiel aus China werden Gespräche viel aufwendiger, weil Begriffe und (politische) Codes andere Bedeutungen haben oder gar nicht existieren – weil die (politischen) Kulturen eben verschieden sind.

b) Woher kommen die Inhalte der politischen Kultur?

Leonhard Neidhart schreibt in seinem kürzlich erschienen Buch über die schweizerische Politik: «Ideale, Werte und Kultur fallen schliesslich nicht vom Himmel, sondern sind […]  das Produkt solcher Erfahrungsgeneralisierungen, Idealisierungen und Bewertungen, vielleicht sogar entlastender Verzauberungen» (Neidhart 2002: 214).

In der politischen Kultur spiegeln sich kollektiv verarbeitete Erfahrungen früherer Generationen im Zusammenhang mit ihrer natürlichen Umwelt, mit der Wirtschaft, der Religion oder mit den gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen. Auch kollektive Schlüsselerlebnisse wie Kriege, Revolutionen und Naturkatastrophen können in der politischen Kultur ihren Niederschlag finden. Es ist jedoch nicht so, dass sich in der politischen Kultur die historischen Ereignisse als solche spiegeln; vielmehr schlägt sich darin deren Verarbeitung und Bewältigung durch die betroffene Bevölkerung nieder. Die politische Kultur sagt also weniger etwas über die realen Ereignisse und Situationen aus als vielmehr über das, was die Menschen von diesen halten und was sie daraus für Schlüsse gezogen haben.

Diese historische Prägung der politischen Kultur hat eine folgenreiche Kehrseite: Die politische Kultur bezieht sich nicht immer optimal auf die aktuellen Probleme einer Gesellschaft; sie ist vielmehr tendenziell «träge» und konservativ.

c) Die politische Kultur muss unterhalten werden

Die politische Kultur besteht nicht nur aus einem politischen Erfahrungsschatz, der sich über Generationen hinweg angesammelt hat. Die politische Kultur muss immer wieder aktualisiert und symbolisch erneuert werden. Die entscheidende Frage ist, ob und wie dies geleistet werden kann. Schafft es eine Gesellschaft nicht, ihre politische Kultur zu erneuern, verliert die politische Kultur ihre Programmierungsfunktion und es droht eine Destabilisierung der Gesellschaft.

Die Erneuerung und Aktualisierung der politischen Kultur ist jedoch kein organischer Vorgang: Es findet ein Kampf statt, in welche Richtung die Erneuerung gehen soll. Der italienische Philosoph und kommunistische Politiker Antonio Gramsci (1891–1937) hat sich mit dieser Frage intensiv beschäftigt, und er nannte diese Auseinandersetzungen einen Kampf um die «kulturelle Hegemonie». Um noch einen anderen Autor zu nennen: Pierre Bourdieu schreibt in seinem «Entwurf einer Theorie der Praxis», dass das Selbstverständliche in einer Kultur das Ergebnis eines politischen Kampfes sei (Bourdieu 1976: 151). Politische Kultur hat so immer auch mit Herrschaft und Ausgrenzung zu tun (vg. Lipp 1996).

Die politische Kultur präsentiert sich als ein Zusammenspiel zwischen verfestigten, tradierten Wert- und Überzeugungssystemen und dem Angebot gesellschaftlich-politischer Deutungsmuster durch die Sinnproduzenten. Die Einflussmöglichkeiten der politischen Interpretationsangebote sind aber nicht unbegrenzt; in einigen Fällen kann sich die politische Kultur gegenüber gewissen Aktualisierungsbestrebungen durchaus als resistent erweisen.

Fazit

Diese Umschreibung der politischen Kultur basiert auf einem «objektiven» Kulturbegriff; sie versteht die politische Kultur als eine objektive Tatsache und nicht als moralischen Begriff. Weiter folgt aus dieser Umschreibung:

1.   Die politische Kultur ist eine Eigenschaft der Gesellschaft und nicht von Individuen: Individuen haben Meinungen, Werte etc., aber sie haben keine Kultur; sie haben als Mitglieder der Gesellschaft Anteil an der Kultur.

2.   Die politische Kultur beinhaltet kollektiv verarbeitete Erfahrungen früherer Generationen. Sie verändert sich, aber nur langsam. Die Richtung, in welche sich die politische Kultur entwickelt, wird durch jene Kräfte bestimmt, welche die Auseinandersetzungen um die «kulturelle Hegemonie» für sich zu entscheiden vermögen.

3.   Die politische Kultur ist nicht von den ökonomischen Umständen abgeleitet und auch nicht von der Sozialstruktur, auch wenn sie von diesen geprägt ist und wenn zwischen diesen eine Wechselbeziehung besteht.

4.   Die politische Kultur ist auch nicht eine Weltanschauung oder gar eine Religion, auch wenn zwischen diesen ebenfalls eine enge Beziehung besteht. Die politische Kultur gibt für das politische Handeln den Rahmen und die Handlungsmöglichkeiten ab, die Weltanschauung (und allenfalls auch die Religion) dagegen bestimmt das konkrete politische Bewusstsein und Handeln.4)

 

2 Die politische Kultur der Schweiz

Die Definition der politischen Kultur als historisch gewachsene «objektive» Dimension der Politik legt einen historisch-hermeneutischen Zugang nahe. Wir müssen also in die Schweizer Geschichte einsteigen und nach Entstehung, Entwicklung und Installierung von politischen Orientierungs- und Handlungsmustern suchen. Dabei riskieren wir durchaus, dass wir – mangels historischer Kenntnisse – ähnliche Erscheinungsformen miteinander verknüpfen und daraus Zusammenhänge ableiten, die nicht bestanden haben. Es ist dann die Rolle der (interdisziplinären) wissenschaftlichen Kritik, solche Konstrukte zu falsifizieren und allenfalls zu korrigieren.

Die politische Kultur wird in diesem Aufsatz auf der gesamtschweizerischen Ebene analysiert. Es interessiert hier also nicht der Unterschied zwischen den politischen Kulturen der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz, oder zwischen den einzelnen Kantonen.5) Es interessiert vielmehr das Verbindende zwischen diesen Teilen. Drei verschiedene Elemente der politischen Kultur der Schweiz sollen im Folgenden skizziert werden: (1) die nationale Identität, welche im 19. Jahrhundert geschaffen wurde und das Besonderssein der Schweiz betont, (2) die politischen Orientierungs- und Handlungsmuster, die sich im Verlaufe von Jahrhunderten herausgebildet haben und Kompromiss und Ausgleich suchen sowie politische Integration anstreben, und (3) die Institution der direkten Demokratie, welche einen materiellen Aspekt der politischen Kultur darstellt.

 

2.1 Das Besonderssein als Element der nationale Identität

Die Herausbildung einer nationalen Identität ist nach politologischer Doktrin essentiell für jede erfolgreiche Staatenbildung; sie begleitet und unterstützt den wirtschaftlichen und administrativen Modernisierungsprozess. In der Schweiz bildete sich – wie fast überall in Europa – erst im 19. Jahrhundert eine eigentliche nationale Identität heraus. Die «grossen Bastler eines schweizerischen nationalen Identitätsbildes» (Marchal 1992) waren die Aufklärer, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur «Helvetischen Gesellschaft» zusammengeschlossen hatten. Sie bauten ihr Engagement für einen gesamtschweizerischen Patriotismus, für individuelle Freiheitsrechte und für politische Gleichheit hauptsächlich auf alte Gründermythen: auf Wilhelm Tell, den Rütlischwur und den Burgensturm und die alten Schweizer Freiheiten. Es waren so nicht historische Fakten gefragt, sondern vielmehr idealisierende Bilder aus dem ausgehenden Mittelalter, welche die Geschichte der Eidgenossenschaft als tugendhaft und sittlich erscheinen liessen (vgl. etwa Schoch 2000).

Ein neues Element dieser nationalen Identität war die Mehrsprachigkeit. Zwar gehörten seit dem 15. Jahrhundert auch nicht-deutschsprachige Gebiete zur Eidgenossenschaft. Mit diesen wurde in der Regel ohne grosse Schwierigkeiten in deren Sprache verkehrt, selbst wenn es Untertanen waren. An der Schwelle zum 19. Jahrhundert nun wurde die Mehrsprachigkeit als schweizerische Eigenheit entdeckt. Die Helvetik postulierte die Mehrsprachigkeit und die Gesetze wurden in den drei grossen Landessprachen erlassen. Die Mehrsprachigkeit der Schweiz fand sich auch wieder in der Bundesverfassung von 1848.

Da der nationalen Identität, die in der Schweiz im 19. Jahrhundert geschaffen wurde, die üblichen konstituierenden Faktoren wie die Sprache oder die Religion fehlten, wurde die Schweiz als Willensnation propagiert, welche solche Faktoren «sittlich überwunden» hatte und darum etwas Besseres war. Dies bringt der Staatsrechtler Carl Hilty in seinen «Vorlesungen über die Politik der Eidgenossenschaft» deutlich zum Ausdruck: «Nicht Raçe, nicht Stammesgenossenschaft, nicht gemeinsame Sprache und Sitte, nicht Natur und Geschichte haben den Staat schweizerischer Eidgenossenschaft gegründet […] Alles, was Natur, Sprache, Blut und Stammeseigenart vermag, zieht die Schweizer viel mehr auseinander, als zusammen, nach Westen, nach Norden, nach Süden zu ihren Stammesgenossen […] Was die Schweiz zusammenhält gegenüber und inmitten dieser grossen Reiche ihrer nächsten Blutsverwandten und Stammesgenossen, ist ein idealer Zug, das Bewusstsein, einen in vielen Hinsichten besseren Staat zu bilden, eine Nationalität zu sein, die hoch über der blossen Bluts- und Sprachverwandtschaft steht.» (Hilty 1875: 28 f.).

Diese nationale Identität umfasste jedoch nicht alle Schichten und Regionen bzw. sie entsprach nicht den Interessen aller Menschen. Es war vielmehr eine nationale Identität, welche den spezifischen Bedürfnissen der bürgerlichen Elite entsprach – und zur Erlangung der kulturellen und gesellschaftlichen Hegemonie hatten diese auch vor physischer Gewalt nicht zurück geschreckt (wie auch die Konservativen zur Verteidigung der ihrigen).

Auch wenn sich das schweizerische Nationalbewusstsein in der Folge veränderte – Stichworte dazu sind etwa der Konflikt zwischen Deutschschweiz und Romandie während des Ersten Weltkrieges oder die Geistige Landesverteidigung während und nach dem Zweiten Weltkrieg – die Vorstellung, etwas Besonderes, allenfalls gar etwas Besseres zu sein, war und ist verbreitet, und ist ein Merkmal der politischen Kultur der Schweiz.

 

2.2 Politisches Aushandeln, Konsens suchen, integrieren

Der Politologe Gerhard Lehmbruch hatte schon in den 1960er Jahren darauf hingewiesen, dass sich die politischen Systeme der Schweiz und Österreichs durch ein eigentümliches Verhandlungsmuster bei der Regelung von Konflikten auszeichneten: das Proporzsystem6). Später umschrieb er diese Eigentümlichkeit mit «Konkordanzdemokratie» und «korporative Verhandlungsdemokratie» und stellte solche Verhandlungsmuster auch noch in einigen anderen Staaten Westeuropas fest: in den Niederlanden, in Deutschland und in Belgien (Lehmbruch 1996). Gemeinsam ist diesen Verhandlungsdemokratien, dass sie in ihrer Geschichte keine grossen zentralisierenden Monarchien kannten, welche mit der korporativen Repräsentation radikal gebrochen hatten, sondern dass bei ihnen die Tradition der korporativen Repräsentation weitergeführt wurde, wenn auch in je unterschiedlicher Weise.

a) Wurzeln in der Alten Eidgenossenschaft

Wesentlich für diese Entwicklung der Konsensfindung war die Entfremdung zwischen der Eidgenossenschaft und dem Reich im 15. Jahrhundert; der Ablösungs- und Abgrenzungsprozess gipfelte darin, dass die Eidgenossen die neuen Auflagen der Reform von 1495 nicht annahmen und sich der eben neu organisierten Reichsgerichtsbarkeit faktisch entzogen. Dabei ging es den Eidgenossen nicht darum, eine eigene übergeordnete Instanz zu schaffen; die 13 Stände wollten vielmehr ihre alten erworbenen Autonomie- und Souveränitätsansprüchen behalten (Würgler 2001).

Anstelle eines Appelationsgerichts wurde in der Eidgenossenschaft bei Konflikten die spätmittelalterliche Praxis der Schiedgerichtsbarkeit gepflegt7), allmählich wurde diese durch die Vermittlung der Tagsatzung ersetzt. Die eidgenössische Tagsatzung – halb Gesandtenkongress, halb oberste Föderationsregierung – war eine relativ schwerfällige Einrichtung, in der jeder Stand mit einer an Instruktionen gebundene Zweierdelegation vertreten war; Entschlüsse wurden einstimmig gefasst (es gab kein Mehrheitsprinzip) und diese wurden erst verbindlich, nachdem sie von allen Ständen ratifiziert waren. Um eine Spaltung der Tagsatzung zu verhindern, wurde den zuletzt in den Kreis der Eidgenossenschaft aufgenommenen Ständen (Basel, Schaffhausen und Appenzell) wie schon zuvor Freiburg und Solothurn auferlegt, sich bei Konflikten neutral zu verhalten und zwischen den Konfliktparteien schlichtend zu vermitteln. Lehmbruch verweist in seiner Untersuchung über die Proporzsysteme auf die sogenannten «paritätischen Institutionen», welche er als typische Vorläufer des schweizerischen Konfliktregelungsmusters des «gütlichen Einvernehmens» betrachtet. Diese wurden vom 4. Eidgenössischen Landfrieden von 1712 für die Verwaltung der «Gemeinen Herrschaften» festgelegt (also der von reformierten und katholischen Kantonen gemeinsam verwalteten Untertanengebiete). Kam es im Zusammenhang mit diesen Landvogteien zu Konflikten – meistens waren sie konfessionell begründet –, so wurden diejenigen Stände zur Vermittlung beigezogen, die an diesen Herrschaften nicht teilhatten. Es waren dies die beiden reformierten Orte Basel und Schaffhausen und die beiden katholischen Orte Freiburg und Solothurn. Diese eidgenössische Praxis der Konfliktschlichtung favorisierte also deutlich das politische Aushandeln von Konflikten – allenfalls durch Vermittlung eines neutralen Dritten – gegenüber dem formalisierten Prozessieren und einem gerichtlichen Urteil. Diese Bevorzugung des Politischen gegenüber dem Rechtlichen zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Schweiz.

Die Tagsatzung mit ihren komplizierten Konfliktlösungs- und Konsensmechanismen (Einstimmigkeitsprinzip) führte zu einer Kultur des Miteinander Redens, des Aushandelns, was der politischen Integration förderlich war. Der Politikwissenschafter Karl W. Deutsch, der die Schweiz als einen Paradefall für den politischen Integrationsprozess analysierte (vg. Deutsch 1976), verweist noch auf einen weiteren Faktor, der die politische Integration förderte: die bewusste Entscheidung der Eidgenossenschaft zur Selbstbeschränkung. Diese machte er einerseits im Ausspruch von Niklaus von der Flüe fest, wonach die Eidgenossen ihre Grenzen nicht zu weit machen sollten, sowie auch in den gezogenen Konsequenzen aus der Schlacht von Marignano von 1515, welche die Versuche einer schweizerischen Machtpolitik begruben. Wirksam findet Deutsch die Selbstbeschränkung etwa im Faktum, dass die Appenzeller bei ihrem Drang, nach Osten zu expandieren, von den Eidgenossen zurückgebunden wurden. Gerade letzteres könnte aber auch als Ausdruck der Eifersucht der Bündnispartner betrachtet werden; Ähnliches konnte nämlich bereits bei den Burgunderkriegen festgestellt werden, als sich die Inneren Orte gegen eine Expansion Berns nach Westen stellten.

Es geht hier nicht darum, die Geschichte der Schweiz als Geschichte eines Landes schönzuschreiben, das pionierhaft ausschliesslich den politischen Konsens gesucht hätte. Dem Bild einer um Ausgleich bemühten Eidgenossenschaft (die Linie führte etwa vom Stanser Verkommnis über die Kappeler Milchsuppe und den Einspruch des Solothurner Schultheissen Wengi bis zum Friedensabkommen der Sozialpartner) liesse sich durchaus das Bild einer aggressiven Schweiz gegenüber stellen; hier führte die Linie von den Eroberungs- und Konfessionskriegen über die Bauernkriege, die Freischarenzüge und den Sonderbundskrieg zu den sozialen Auseinandersetzungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dass die Eidgenossenschaft manche, auch heftige innere Wirren überstanden hatte, lag sicher weniger an einer besonderen Disposition zu Konsens und gütlicher Konfliktregelung, sondern vielmehr auch am Ausland, das Interesse an Söldnerlieferungen aus der Eidgenossenschaft hatte und daher immer wieder besänftigend eingriff. Doch um diese Frage geht es hier nicht. Wesentlich für die politische Kultur der Schweiz dürfte vielmehr sein, dass diese jahrhundertealte (Teil-)Erfahrung der konsensualen, politischen Konfliktlösung die Handlungsmöglichkeiten der Eidgenossen bei der Konfliktregelung prägte und dass das Bild des politischen Ausgleichssuchens zum politischen Handlungsrepertoire der Eidgenossen gehörte.

b) Entwicklungen im Bundesstaat

Dass aber nicht mit allen Schweizern Konsens – und schon gar nicht Proportionalität – gesucht wurde, zeigte sich etwa nach der erfolgreichen bürgerlichen Revolution von 1848. Zwar fanden sich schon in der Bundesverfassung von 1848 Regelungen betreffend Proportionalität; diese waren jedoch vor allem regionaler Art und sollten die kleinen Kantone vor der Übermacht der grossen Kantone schützen. Die grosse Minderheit der katholisch-konservativen Kantone, welche den Sonderbundskrieg verloren hatten, war nicht gemeint, sie blieb vorderhand ausgeschlossen.

Die Regelungen in der Bundesverfassung betrafen das Zweikammersystem (National- und Ständerat) sowie die beiden Bestimmungen, dass für die Verfassungsrevision ein Ständemehr nötig sei und dass pro Kanton nicht mehr als ein Mitglied im Bundesrat vertreten sein dürfe. Neben solchen geschriebenen Verfassungsbestimmungen bestand von Anfang an bei der Wahl in den Bundesrat auch die informelle Regelung für die Berücksichtigung der sprachlichen Minderheiten in der Landesregierung (diese wurde erst kürzlich explizit in der Verfassung verankert).

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam auf der institutionellen Ebene ein Faktor dazu, der den politischen Integrationsprozess stark vorantrieb: das fakultative Gesetzesreferendum (vgl. dazu Neidhart 1970). Dieses gab den Oppositionsparteien ein sehr wirkungsvolles Instrument in die Hände. Die Katholisch-Konservativen, welche sich nach ihrer Niederlage von 1847 für gut dreissig Jahre von der schweizerischen Politik verabschiedet hatten, nutzten dieses Instrument rege. Die sogenannten Referendumsstürme8) führten dazu, dass die regierende liberale Mehrheit am Ende des 19. Jahrhunderts, wollte sie aktionsfähig bleiben, die konservative Opposition in die Regierungsverantwortung einbinden musste. Die Integration der Konservativen erfolgte aber wohl auch deshalb, weil der alte Gegensatz zwischen Liberalen und Konservativen zunehmend vom Gegensatz zwischen Linken und Bürgertum abgelöst wurde. Für die Linken aber galt der Proporz auf der eidgenössischen Regierungsebene vorerst noch nicht.

Immerhin profitierte die Linke im frühen 20. Jahrhundert von verschiedenen Proporzregelungen, welche bei anderen politischen Institutionen angewendet wurden. So wurde 1918 das Proporzsystem für die Nationalratswahlen eingeführt und auf kommunaler und kantonaler Ebene nahm die Linke Einsitz in die Exekutiven – die proportionale Zusammensetzung erfolgte hier meistens in Form von «freiwilligen Übereinkünften». Die Integration der Sozialdemokratischen Partei in den Bundesrat fand schliesslich nach dem Zweiten Weltkrieg statt, als der Klassenkonflikt an Brisanz verloren hatte.9)

Bei dieser Skizzierung der Entwicklung der konsensualen Konfliktbewältigung in der Schweiz ist vereinzelt darauf hingewiesen worden, dass der schonungsvolle Umgang mit Minderheiten nur jenen Minderheiten zugute kam, die von der Mehrheit als solche anerkannt wurden. Hier kommt das korporative Element zum Tragen, welches Gerhard Lehmbruch bei der «korporativen Verhandlungsdemokratie» feststellte: Es geht in den Konkordanzsystemen nicht um einen möglichst breiten Pluralismus, sondern um optimale Vertretung der als relevant erachteten Kräfte. Bei wem dies aber nicht der Fall ist, dem droht – wenn er das Gesamtsystem nicht anerkennt bzw. von diesem nicht anerkannt wird – zusätzliche Marginalisierung und Ausgrenzung.

Was war die treibende Kraft für die Herausbildung dieser Konkordanz? Wesentlich für das Zustandekommen von politischen Kompromissen dieser Art – von den Schiedsgerichten über die «paritätischen Institutionen» bis zu den verschiedenen Zauberformeln in den Exekutiven –, war und ist eine bestimmte Verhaltensdisposition, eine Bereitschaft der politischen Eliten zu Kooperation und Kompromiss. Dabei spielt sicher auch die Kleinräumigkeit der Schweiz eine Rolle: Die politische Elite kannte sich und stand – über die Sprach- und Konfessionsgrenze hinweg – in vielfältigem Kontakt zueinander. Ausdruck, teilweise gar Basis dieser Kontakte ist etwa das stark verbreitete Vereinswesen, welches gerade im 18. und 19. Jahrhunderts für das politische Leben, gar für das politische Überleben der Schweiz, sehr wichtig war, aber auch das Militär, welches die politische Kultur über Jahrhunderte prägte (Epple 1988).

2. 3 Die direkte Demokratie: «vox populi vox dei»

Kleinstaaten werden nicht zwangsläufig zu Demokratien. Dass sich in der Schweiz eine derart differenzierte Demokratie entfalten konnte, hat aber durchaus mit der Kleinräumigkeit der Schweiz zu tun und mit ihrer Geschichte. Die Volksabstimmung hat auf dem Territorium der heutigen Schweiz eine lange Tradition. Bereits im 14. Jahrhundert wurden in den Gebieten des Alpenraums Landsgemeinden abgehalten; Graubünden und Wallis wiederum kannten das föderative Referendum und die meisten freien Städte führten Bürgerversammlungen durch.

Alle diese Varianten der Volksabstimmung erfuhren im 17. und 18. Jahrhundert mit den absolutistischen Tendenzen empfindliche Einschränkungen, was sporadisch zu Aufständen und Umstürzen führte: Bei diesen Auseinandersetzungen standen sich «Harte» und «Linde» gegenüber, wobei die «Harten» demokratisch bzw. ochlokratisch waren, die «Linden» dagegen obrigkeitstreu. Die «Harten» waren in diesem politischen Abschliessungsprozess zwar auf der Verliererstrasse, als aber gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Eidgenossenschaft an ihrer Erstarrung zerbrach, wurden die Karten neu verteilt.

Die Bundesverfassung von 1848, welche den Grundsatz festhielt, dass allein das Volk das Recht habe, Verfassungsänderungen definitiv zu beschliessen, nahm in diesem Punkt implizit Bezug auf diese alteidgenössische Tradition. Diese Bestimmung war zwar primär ein Produkt der Aufklärung (Stichworte: rationalistisches Naturrecht, Idee der Volkssouveränität). Dass diese Bestimmung der Aufklärung relativ leicht Eingang in die Staatsverfassungen der Eidgenossenschaft und der Kantone fand, verdankt sie der alteidgenössischen demokratischen Tradition; sie war somit nichts Fremdes, sondern gehörte gewissermassen schon zur politischen Kultur (siehe dazu Möckli 1985).

Der Ausbau der Volksrechte erfolgte namentlich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts: 1874 wurden im Rahmen der Revision der Bundesverfassung das Recht der Partialrevision der Bundesverfassung und das fakultative Gesetzesreferendum eingeführt, und 1891 die Verfassungsinitiative. Waren beim fakultativen Gesetzesreferendum vor allem die Demokraten die treibende Kraft, so wurde die Einführung der Volksinitiative von den Demokraten, den Linken und den Katholisch-Konservativen gefordert. Diese Wertschätzung der direkten Demokratie bei den Linken wie bei den Rechten findet sich auch heute noch: Wer auch immer die Volksrechte «verwesentlichen» will, läuft daher Gefahr, sich politisch die Finger zu verbrennen.

Die direkte Demokratie hat in breiten Teilen der Bevölkerung – vor allem in der Deutschschweiz – einen hohen Stellenwert und die Meinung, dass der Volksentscheid über allem steht, ist weit verbreitet. Da heisst es bald einmal, dass das Volk über alles entscheiden könne, und dass es an einem Volksentscheid nichts zu rütteln gebe: «vox populi vox dei». Das Bewusstsein, dass es gewisse elementare Rechte gibt, die dem demokratischen Mehrheitsentscheid des Volkes entzogen sind, ist nicht überall besonders stark entwickelt. Darin spiegelt sich auch die oben erwähnte eidgenössische Tendenz, die Politik gegenüber dem Recht zu priorisieren und Konflikte politisch und nicht rechtlich lösen zu wollen.

 

3 Schluss

Mit der Skizzierung von drei Elementen der politischen Kultur wurde versucht, sich der politischen Kultur der Schweiz anzunähern, die als solche ja nie exakt eruierbar sein wird. Die dargestellten Elemente sind wesentlich vom Umgang der Schweiz mit ihrer Kleinheit, ihrer Heterogenität und ihrer Geschichte geprägt; für weitere Elemente, die hier nicht berücksichtigt wurden, dürfte dies weitgehend auch der Fall sein.10) Wenn auch der Tenor bei der Darstellung der politischen Kultur der Schweiz eher positiv ist – immerhin hat sie der Schweiz ihr politisches Überleben ermöglicht und geholfen, grosse innere Konflikte zu dämpfen – so seien abschliessend zwei Punkte noch kritisch angemerkt:

1) Konfliktaustragung durch Verständigung und Kompromiss kann auch heute durchaus reformfördernd sein (zum Beispiel bei der Umweltschutzgesetzgebung in den achtziger Jahren). Sie kann aber auch politisch lähmend wirken. Dies haben Sibylle Hardmeier und Regula Stämpfli in ihren Dissertationen über die Einführung des Frauenstimmrechts bzw. die Frauen in der Zwischenkriegszeit eindrücklich gezeigt: Die politische Kultur der Kleinräumigkeit und der Verständigung verunmöglichte es den Kämpferinnen für die Gleichstellung wirklich politisch Druck zu machen, so wie es die Frauen in anderen Ländern nach dem Ersten Weltkrieg taten und dabei meistens erfolgreich waren (Hardmeier 1997, Stämpfli 2002).

2) Die politische Kultur der Schweiz ist – aufgrund ihrer Geschichte und ihrer besonderen Funktion für die Schweiz – eine starke politische Kultur. Starke Werte sichern eine Gesellschaft ab, sie zementieren aber auch; sie steuern das Verhalten relativ streng und tendieren dazu, andere Werte als diejenigen, die im ausgehandelten Pluralismus zugelassen sind, auszuschliessen. Der Staatsrechtler Thomas Fleiner bemerkte dazu: «Die Suche nach dem gegenseitigen Gespräch, die Suche nach dem Kompromiss zieht sich seit dem 16. Jahrhundert wie ein roter Faden durch das schweizerische politische Denken. Deshalb üben die Schweizer Toleranz gegenüber all jenen Gruppierungen, die sich kompromissfähig zeigen, wer hingegen nicht kompromissfähig ist, hat keine Chance auf Anerkennung. Denn, in der Tat, wir müssen zugeben, dass Toleranz gegenüber dem traditionell Andersartigen, nicht aber gegenüber dem Neuartigen und Fremden praktiziert wird» (Fleiner 1986: 18). Diese Toleranz wurde etwa im 19. Jahrhundert den katholischen Konservativen nicht immer zugestanden, und im 20. Jahrhundert – hauptsächlich in der Deutschschweiz – nicht den Kommunisten (vgl. etwa Frischknecht 1978).11)

Im einleitenden Teil wurde darauf hingewiesen, dass die politische Kultur träge sei, dass es aber für eine Gesellschaft existenziell sei, dass ihre politische Kultur laufend aktualisiert werde, damit sie den neuen Herausforderungen gewachsen sei. In den letzten Jahren haben sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen auch für die Schweiz radikal geändert: Der Kalte Krieg ist vorbei, die europäischen Staaten schliessen sich zusammen und die gesellschaftliche Entwicklung scheint ungebremst. An diese neue Situation muss die politische Kultur angepasst werden und ein solcher Prozess ist im Gange. Seit den frühen 1990er Jahren wird in der Schweiz um die kulturelle Hegemonie gerungen. Der «progressive Pol» lässt sich weniger klar umschreiben als der «konservative Pol» zu dessen Referenzinstanz die SVP geworden ist. Und die SVP spielt ihre Rolle mit viel Geschick: Es gelingt ihr immer wieder, ihre Themen mit traditionellen Bildern der Schweiz zu verknüpfen, mit einer traditionellen politischen Kultur, die – so befürchte ich – den künftigen Anforderungen immer weniger gerecht wird.

 

 

 

Anmerkungen

1) Ich danke dem Departement für Politikwissenschaft an der Universität Genf, das mir im Sommer 2002 ein weiteres Mal Gastrecht gewährte; während dieses Aufenthaltes sind die wesentlichen Grundzüge dieses Textes entstanden.

2) Samuel P. Huntington unterscheidet weltweit folgende Kulturkreise: den sinischen, japanischen, hinduistischen, islamischen, westlichen, lateinamerikanischen und den afrikanischen Kulturkreis (Huntington 1996).

3) «Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte» ist die wichtigste der drei (historischen) «Frankreichschriften» von Karl Marx; er analysierte darin den Prozess der politischen Restauration am Beispiel der politischen Ereignisse nach der Revolution von 1848 bis zur Machtergreifung durch Louis Bonaparte Napoleon III von 1851.

4) Hinweis: Wie eingangs erwähnt, gibt es auch andere Begriffe der politischen Kultur als den hier skizzierten. Wer zum Beispiel die politische Kultur auf der Ebene der subjektiven Einstellungen ansiedelt – und einen solchen Ansatz verfolgen viele Studien –, wird sich der Meinungsumfrage bedienen. Diese wird die Einstellungen und Haltungen der Bevölkerung in Bezug auf eine konkrete Frage untersuchen (zum Beispiel das Vertrauen in die Regierung) und die Ergebnisse mit jenen von anderen Ländern vergleichen (siehe dazu Seitz 1997: 68 ff.).

5) Für die politische Kultur auf der Ebene der Kantone siehe etwa Allemann 1965 und Müller 1987, für die politische Kultur auf der Ebene der Regionen vergleiche Meier/Rosenmund 1982. Eine andere Ebene der politischen Kultur der Schweiz – jene der weltanschaulichen Gemeinschaften – hat der Historiker Urs Altermatt anhand der «katholischen Subgesellschaft» in zahlreichen Publikationen pionierhaft beschrieben (zum Beispiel Altermatt 1989).

6) Lehmbruch stellte das Proporzsystem den angloamerikanischen Konkurrenzsystemen gegenüber, welche damals von der Politikwissenschaft favorisiert wurden, und plädierte dafür, es als gleichwertig zu anerkennen (vgl. Lehmbruch 1967; vgl. Seitz 1997: 156 ff.).

7) Die Praxis des eidg. Schiedsgerichtsverfahrens sah bei Streitigkeiten vor, dass jede der Parteien zwei Schiedsrichter bestimmte; konnten sich diese nicht einigen, so ernannten diese wiederum einen neutralen obersten Schiedsrichter. Dieser fällte dann mit den vier Schiedsrichtern das verbindliche Urteil.

8) Von 1874 bis 1890 wurden 16 Volksabstimmungen durch das fakultative Referendum erzwungen: 11 Vorlagen wurden verworfen, 5 angenommen.

9) Wie stark diese Konkordanz der Parteien heute in der politischen Kultur verankert ist, zeigte sich 1993 in Genf, als die bürgerlichen Parteien mit einer bürgerlichen Einheitsliste sämtliche sieben Sitze in der Kantonsregierung erhielten. Die bürgerliche Alleinregierung erwies sich als Flop und bei den kommenden Wahlen wurden der SP wieder zwei Sitze zugestanden.

10) Vergleiche dazu etwas den Föderalismus (als «Nicht-Zentralismus»), die Aussenorientierung, den politischen Pragmatismus, den Milizgedanken, das schweizerische Verteidigungswesen. Interessante Gedanken dazu finden sich in Neidhart 2002.

11) Eine immer noch anregende grundsätzliche Kritik an der konsens-orientierten schweizerischen Gesellschaft mit konservativer Hegemonie geben Masnata–Rubattel (1978).

 

 

 

 

Literatur

Allemann, Fritz René (1965): 25 mal die Schweiz. Panorama einer Konföderation. München.

Alterermatt, Urs (1989): Katholizismus und Moderne. Zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte der Schweizer Katholiken im 19. und 20. Jahrhundert. Zürich.

Bourdieu, Pierre (1976): Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt am Main (gegenüber dem französischen Original erweiterte Ausgabe).

Deutsch, Karl W. (1976): Die Schweiz als ein paradigmatischer Fall politischer Integration. Bern.

EPPLE-GASS, Rudolf (1988): Friedensbewegung und direkte Demokratie in der Schweiz. Frankfurt am Main.

Fleiner-Gerster, Thomas (1986): Konstanten der schweizerischen politischen Kultur, Vortrag gehalten vor dem Forum Helveticum am 16. Januar 1986 in Bern.

Frischknecht, Jürg (1978): «Die Schweiz – ein Land ohne Opposition?», in Bäumlin, Richard u.a., Wohlstand und Ordnung? Zur Soziologie der Schweiz heute. Basel, S. 71 ff.

HARDMEIER, Sibylle (1997): Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz (1890–1930). Argumente, Strategien, Netzwerk und Gegenbewegung. Zürich.

Hilty, Carl (1875): Vorlesungen über die Politik der Eidgenossenschaft. Bern.

Huntington, Samuel P. (1996): The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. New York.

Im Hof, Ulrich (1991): Die historische Dimension der nationalen Identität (Nationales Forschungsprogramm 21: Kulturelle Vielfalt und nationale Identität. Reihe: Kurzfassungen der Projekte). Basel.

Kaase, Max (1983): «Sinn oder Unsinn des Konzepts 'Politische Kultur' für die Vergleichende Politikforschung, oder auch: Der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln», in Kaase, Max; Klingemann, Hans-Dieter (Hg.), Wahlen und politisches System. Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 1980. Opladen, S. 144 ff.

Kreis, Georg (1992): «Politische Kultur», in Handbuch der schweizerischen Volkskultur, Band 2, hrsg., von Hugger, Paul. Zürich, S. 901 ff.

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Angaben zur Person

Werner Seitz studierte an der Universität Bern Philosophie, Schweizer Geschichte, Staatsrecht und Verfassungsgeschichte. Von 1983 bis 1990 war er Assistent am Forschungszentrum für schweizerische Politik sowie am Soziologischen Institut der Universität Bern. 1990 trat er ins Bundesamt für Statistik die Stelle des Bereichsleiters «Wahlen und Abstimmungen» an; seit 2004 ist er Leiter der Sektion «Politik, Kultur, Medien». 
1996 promovierte er an der Universität Bern mit einer Arbeit über die politische Kultur und das Abstimmungsverhalten; die Dissertation wurde 1997 unter dem Titel «Die politische Kultur und ihre Beziehung zum Abstimmungsverhalten. Eine Begriffsgeschichte und Methodenkritik» publiziert. 
Werner Seitz ist der Verfasser einer Reihe von politologisch-statistischen Studien über den Wandel der Parteienlandschaft in der Schweiz, über die eidgenössischen und kantonalen Parlamentswahlen, über die Repräsentation der Frauen in den politischen Institutionen sowie über die eidgenössischen Volksabstimmungen.