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«Den Grün-Liberalen droht die politische Irrelevanz»

Der Politologe Werner Seitz räumt den grün-liberalen Zürchern wenig Erfolgschancen ein. Mit demselben Rezept sei der Landesring untergegangen, in Tages-Anzeiger,  6. Juli 2004

Mit Werner Seitz* sprach Iwan Städler


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In Zürich spaltet sich ein Teil der Grünen ab und will eine eigene grün-liberale Partei gründen. Hat eine solche Partei Chancen auf Erfolg?

Ich glaube nicht. Die grün-liberale Linie wird sich derzeit kaum durchsetzen.  

 

Warum nicht?

Schauen wir doch, wo die Grünen in den letzten acht Jahren gepunktet haben: vor allem in der Westschweiz. Dort verfolgten sie früher relativ erfolglos einen grünen Mitte-Kurs. Der Erfolg kam erst, als sie sich auch sozialpolitisch engagierten.  

 

Weil die sozialen Fragen die Wähler mehr interessieren als der Umweltschutz?

Genau. Auf der politischen Agenda haben Umweltthemen momentan eine geringere Priorität als die Sozialpolitik.  

 

Das kann sich wieder ändern.

Ja. Aber wenn die Grün-Liberalen sich jetzt abspalten wollen, sollten sie mit Schub loslegen können. Das dürfte kaum gelingen. Die Abspaltung in Zürich erfolgt ja auch nicht, weil jemand ein neues politisches Feld bewirtschaften will. Im Vordergrund stehen persönliche Querelen. Dasselbe gilt wohl auch für die Stadt St. Gallen.

 

Politisch macht eine Abspaltung also keinen Sinn?

Nein. Es macht aber durchaus Sinn, dass die Grünen zwei Flügel haben. In den Kantonen Bern und Basel besteht diese Aufteilung auch organisatorisch – mit verschiedenen Kantonalparteien, die alle unter dem Dach der Grünen Partei der Schweiz politisieren. Ich glaube aber nicht, dass ein Flügel überlebensfähig ist, wenn er sich ganz abspaltet.

 

Bern und Basel als Vorbild für Zürich?

Wenn es nicht mehr anders geht, ist dies eine Möglichkeit. Es ist aber ein Luxus, das Sekretariat und den ganzen Apparat doppelt zu führen.

 

In einer ersten Reaktion hat die Grüne Partei der Schweiz die Aufnahme der Zürcher Grün-Liberalen in Frage gestellt. Ist das geschickt?

Ich glaube nicht, dass die Türe bereits zugeschlagen ist. Die brüsken Reaktionen erklären sich durch persönliche Animositäten. Hinzu kommt, dass die nationale Zentrale das Projekt wohl ebenfalls für chancenlos hält. Sie übt daher Druck aus, damit möglichst wenig Grüne sich der neuen Partei anschliessen.  

 

Verkommt die grün-liberale Abspaltung zum Rohrkrepierer?

Das kann durchaus sein. Wenn man in den Spuren des Landesrings gehen will, weiss man ja, wo diese enden. Ich sehe jedenfalls keine Perspektive für eine Partei, die sich in der Mitte für den Umweltschutz stark machen will.  

 

Andererseits hat sich die FDP in letzter Zeit der SVP angenähert. Progressive Liberale sind dadurch politisch heimatlos geworden.

Ich glaube nicht, dass jemand, der bisher FDP gewählt hat, nun, grün wählt, bloss weil der Freisinn nach rechts gerutscht ist. Eher wählen solche Leute nicht mehr und warten, bis die FDP oder eine andere bürgerliche Partei sie wieder ansprechen.  

 

Sie orten also kein Brachland in der Mitte?

Sicher zu wenig, um darauf eine lebensfähige Partei aufhauen zu können. Die Parteienlandschaft hat sich polarisiert. Und ich sehe nicht, wie den Grün-Liberalen gelingen sollte, was der CVP offensichtlich nicht gelingt. Ihnen droht die politische Irrelevanz. Das sollte vielleicht auch Verena Diener bedenken. Als Gesundheitsdirektorin hat sie ein schwieriges Dossier. Da ist es heikel, sich mit der ohnehin schon kleinen Hausmacht anzulegen.

 

 

 


* Werner Seitz ist Politologe und leitet im Bundesamt für Statistik die Sektion Politik


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