"Besonders
in der Romandie befinden sich die Grünen auf der Überholspur",
sagt der Politologe Werner Seitz gegenüber swissinfo.
Dort seien die Grünen im Gegensatz zu ihren früher nach
links umgeschwenkten Parteikollegen in der Deutschschweiz
noch lange einen bürgerlichen Kurs gefahren.
Das habe sie in den 1980er- und 1990er-Jahren unzählige Wählerinnen
und Wähler gekostet. "Erst mit dem Rutsch nach links
haben die Grünen in der Romandie jetzt wieder
aufgeholt", so Seitz weiter.
Ettappensieg
in Genf
Den jüngsten
Sieg feierte die Grüne Partei denn auch im Kanton Genf.
Am letzten Wochenende bestätigte sie dort nicht nur ihren
einen Regierungssitz, sondern legte gleich einen weiteren
zu und verhalf damit der Linken zur Mehrheit im Staatsrat.
Bereits vor einem Monat legte sie im Kantonsparlament 5
neue Sitze zu und ist dort nun mit 16 Mandaten die drittstärkste
Kraft.
Ungebremst
seit 2003
Seit den
Nationalratswahlen vor zwei Jahren, bei denen die Grünen
mit einem Wähleranteil von 7,4% den historischen Höchststand
erreichten, haben sie auch in fast allen
Kantons-Regierungen und –Parlamenten deutlich zugelegt.
Seit 2003 gewannen sie 29 weitere Sitze und sind nun mit
167 Mandaten in kantonalen Parlamenten vertreten.
2005 erreichte die grüne Erfolgswelle ihren vorläufigen
Höhepunkt. In den Parlamenten der Kantone Neuenburg,
Solothurn und Wallis gewannen die Grünen je drei Sitze,
ihre sieben Mandate im Aargau konnten sie trotz des stark
verkleinerten Rates halten.
Auch bei den Exekutivwahlen waren die Grünen die
Gewinner. Mit Neuenburg und Basel Stadt sind sie nun neben
Nidwalden und Waadt in vier Kantonsregierungen mit einem
Mandat vertreten, in Genf sogar mit zwei. Zurzeit hält
die Partei 6 von insgesamt 158 Sitzen in 26
Kantonsregierungen.
Links und
unabhängig
Den
erstaunlichen Erfolg der Grünen führt Werner Seitz unter
anderem auf ihren dezidierten Linkskurs zurück. Die ursprüngliche
Grüne Partei war eine Ansammlung von bürgerlichen
Umweltschützern und Linksliberalen.
Erst nach der grossen Krise in den 1980er-Jahren verstand
es die Partei, sich mit sozialpolitischen Themen nach
links zu öffnen, ohne ihre Verankerung in der politischen
Mitte zu verlieren, wie Seitz weiter erklärt.
Heute seien die Grünen im deutschsprachigen Teil der
Schweiz radikaler als die Sozialdemokratische Partei (SP)
und profitierten wie diese auch von der Polarisierung des
Parteiensystems, erklärt Seitz weiter.
Als Nichtregierungspartei können die Grünen, anders als
die SP, auch radikalere Forderungen stellen. Damit biete
sie vor allem regierungskritischen Wählerinnen und Wählern
eine echte Alternative.
Pragmatisch
und konsensfähig
Anders als
in der Deutschschweiz seien die Grünen in der Romandie
pragmatischer und weniger pointiert nach links orientiert,
erklärt Seitz. "Sie scheren durchaus auch einmal aus
und arbeiten über die Parteigrenze hinweg mit anderen
zusammen."
In der Romandie gibt es laut Seitz keinen Bedarf mehr nach
einer Partei links der SP, weil es bereits zwei gibt, die
Kommunisten und die Solidarité. "Diese zeichnen sich
durch eine relativ ideologische Sturheit aus", stellt
Seitz fest.
Mit ihrer pragmatischen Art des Politisierens könnten die
Grünen in der Romandie die Lücke zwischen SP und den
Kommunisten füllen. "Sie sind nicht ideologisch
fixiert und dadurch im Stande, zwischen den erstarrten Blöcken
zu verhandeln."
Erfolg
dank Rechtskurs der Mitte
Stimmen hätten
die Grünen vor allem bei Neu- sowie Nichtwählern und von
der SP gewonnen. Neuerdings seien vermehrt auch Wähler
der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) ins grüne
Lager übergewechselt, erklärt Seitz.
Die FDP hat sich laut Seitz von der nationalistisch
orientierten Schweizerischen Volkspartei (SVP) unter Druck
setzen lassen. "Indem sie sich der SVP auf der
rechten Seite annäherte, machte sie ein Feld auf, das die
Grünen jetzt bewirtschaften können." Solange die
Mitte-Parteien nach rechts abdriften bleiben die Grünen
laut Seitz auf Erfolgskurs.
Als nächstes Etappenziel also ein Sitz im Bundesrat?
Nein, meint Seitz. Zum einen würde die Partei dadurch
ihre Unabhängigkeit und damit auch ihre Attraktivität
verlieren. Zum anderen halte er die Art, wie die Grünen
politisieren, auf eidgenössischer Ebene "nicht
unbedingt für regierungsfähig."
swissinfo,
Nicole Aeby
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