Werner Seitz

Analyse der Volksabstimmung zur Quoten-Initiative:
«Gleichstellung – eine Nebensache?»,
in vpod-zeitung, 2000, Nr. 14, 14. September 2000.


Eine Analyse der Abstimmungsresultate zur Initiative für eine gerechte Vertretung der Frauen in den Bundesbehörden zeigt, dass die Gleichstellungsthematik vielen nicht mehr unter den Nägeln brennt.

In der Geschichte der Quoten-Initiative spiegelt sich die Entwicklung der Gleichstellungsthematik in der politischen Diskussion. Fanden anfangs der neunziger Jahre verschiedene Aktionen gegen die mangelhafte Realisierung der Gleichstellung von Frau und Mann statt, von denen der Frauenstreik von 1991 die bekannteste ist, so büsste diese Bewegung in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre spürbar an Kraft ein; und als im Frühling 2000 die Quoten-Initiative – selbst ein Produkt dieser Bewegung – zur Abstimmung kam, fuhr sie mit 18 Prozent Ja-Stimmen eines der schlechtesten Abstimmungsergebnisse der Schweiz ein.

Aufgrund einer statistischen Analyse der Gemeinde-Ergebnisse der Quoten-Initiative lässt sich folgendes Zustimmungsprofil erstellen: Die französischsprachigen Gemeinden stimmten mit durchschnittlich 24 Prozent Ja-Stimmen zu, die deutschsprachigen Gemeinden mit knapp 17 Prozent. Die Grosszentren hiessen die Quoten-Initiative mit 30 Prozent gut, die agrarischen Gemeinden mit 12 Prozent.
Französischsprachige Grosszentren am stärksten für die Quoten-Initiative
Verbinden wir die Konfliktachse «französisch- vs. deutschsprachige Gemeinden» mit der Konfliktachse «Stadt–Land», so erhalten wir die folgenden beiden «Extrem-Typen»: Die Grosszentren der Romandie stimmten der «Quoten-Initiative» mit 35 Prozent am höchsten zu, die agrarischen Gemeinden der Deutschschweiz mit 9,9 Prozent am niedrigsten.
Die Gemeindeergebnisse der Quoteninitiative haben eine frappante Ähnlichkeit mit den Abstimmungsergebnissen anderer gleichstellungspolitischer Vorlagen: Gemeinden, welche den beiden Initiativen für eine Mutterschaftsversicherung (1984, 1999) und dem neuen Eherecht (1985) am deutlichsten zugestimmt haben, stimmten auch der Quoten-Initiative am deutlichsten zu (und umgekehrt). Dasselbe gilt auch für die beiden Frauenstimmrechtsvorlagen von 1959 und 1971, zu denen nur die Männer Stellung nehmen konnten.
Fortschrittliches Genf
Ein Blick in die Kantonsergebnisse der wichtigsten gleichstellungspolitischen Abstimmungsvorlagen der letzten vierzig Jahren zeigt, dass Gleichstellungsthemen in der Romandie (ausgenommen das Wallis), im Tessin sowie in den beiden Basel und in Zürich überdurchschnittlich gut aufgenommen wurden – im Gegensatz zu den übrigen Kantonen der Deutschschweiz, wo die Abstimmungsergebnisse meistens unter dem schweizerischen Durchschnitt lagen. Besonders augenfällig ist, dass bei sämtlichen Gleichstellungsvorlagen der letzten vierzig Jahren Genf am höchsten zustimmte, Appenzell Innerrhoden am niedrigsten.
SP-nahe Frauen für die Quoten-Initiative
Gemäss Vox-Analyse des GfS-Forschungsinstituts und der Universität Zürich stimmten die Frauen der Quoten-Initiative mit 28 Prozent zu, die Männer mit 11 Prozent. Bei FDP und SVP betrug die Zustimmung der Frauen rund 20 Prozent, die Männer sagten dagegen fast alle Nein. Bei der SP stimmten die Frauen mehrheitlich zu (56 Prozent), von den SP-Männern legte jedoch nur jeder Dritte ein Ja in die Urne. Bei der CVP schliesslich fand die Quoten-Initiative bei Frauen wie Männern in etwa gleichem Ausmass Unterstützung (rund 20 Prozent).

Junge gegen Quoten-Initiative

Differenziert nach Alter war die Zustimmung am stärksten bei den 30–49-jährigen (24 Prozent). Bei den über 50-jährigen erhielt die Initiative noch von knapp jeder fünften Person Unterstützung; bei den Jungen jedoch stiess die Initiative auf keinen Goodwill: Nur gerade 7 Prozent der 18–29-jährigen legten ein Ja in die Urne; 93 Prozent wollten keine Quote! Dieses Nein war jedoch, so der Befund, kein Nein zur Gleichstellung von Frau und Mann, sondern vor allem ein Nein zur Quote.
 
Fazit
Geschlechterparität in den politischen Institutionen ist zwar noch lange nicht erreicht. Im Unterschied zu den frühen neunziger Jahren, als die Quoten-Initiative lanciert wurde, haben sich die Anteile der gewählten Frauen in Parlament und Regierung aber deutlich verbessert. 1993 war die Frauenrepräsentation in den politischen Institutionen alarmierend schwach: 18 Prozent im Nationalrat, 15 Prozent in den Kantonsparlamenten, 5 Prozent in den Kantonsregierungen und keine Frau im Bundesrat. Sieben Jahre später, als über die Quoten-Initiative abgestimmt wurde, betrugen diese Werte: Nationalrat 23,5 Prozent, Kantonsparlamente 24 Prozent, Kantonsregierungen 20 Prozent und Bundesrat 28 Prozent. Nur rund ein Viertel Frauen in den politischen Gremien scheint nicht mehr so skandalös wenig zu sein – mit diesen Werten liegt die Schweiz gar im vorderen europäischen Mittelfeld. Diese Steigerung der Frauenvertretung in den politischen Institutionen auf 20–25% dürfte einer der Gründe gewesen sein, weshalb die Empörung über die Ungleichstellung verpufft ist und der Kritik am Brecheisen-Instrument «Quote» Platz gemacht hat. Diese Kritik, zusammen mit den prinzipiellen Gleichstellungsgegnern, hat wohl zum katastrophalen Ergebnis von 18 Prozent Ja-Stimmen geführt.

 

Dieser Text ist eine Kurzfassung des Referates, das Werner Seitz an der Generalversammlung des Vereins «Frauen in den Bundesrat» vom 22. Juni 2000 gehalten hat.