Werner Seitz, Bundesamt für Statistik, Neuchâtel.

Rezension:
«STÄMPFLI, Regula (2002). Mit der Schürze in die Landesverteidigung. Frauenemanzipation und Schweizer Militär 1914 – 1945». Zürich: Orell Füssli Verlag, 288 Seiten,
in Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 8/2002, Nr. 3/4, S. 167–169.


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Die vorliegende Arbeit wurde 1999 unter ähnlich lautendem Titel von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern als Dissertation angenommen. Regula Stämpfli hat ihre gut 800-seitige Doktorarbeit auf fast 300 Seiten gekürzt, was der Publikation offensichtlich gut bekommen ist: Sie präsentiert sich lesefreundlich, ist gut strukturiert und Anmerkungen finden sich nur noch dort, wo sie auch notwendig sind. Das Buch selber hat ein angenehm zu lesendes Schriftbild und zur Illustration finden sich gar einige historische Photos.

Die politische Geschichte der Frauenbewegung in der Schweiz ist – gerade auch wegen des Umstandes, dass das Frauenstimmrecht sehr spät eingeführt wurde – gut aufgearbeitet; zu erwähnen sind namentlich zwei Dissertationen jüngeren Datums (Hardmeier 1997; Vögeli 1997). Regula Stämpfli füllt mit ihrer Arbeit nicht nur den zeitlichen Raum zwischen diesen beiden Publikationen aus, sie beleuchtet auch jenen gesellschaftlichen Bereich, der in den dreissiger und vierziger Jahren für die Frauenorganisationen zentral war: die Landesverteidigung. Mit dem Stimmungsbild, das Stämpfli für die Schweiz zwischen 1914 und 1945 zeichnet, wird in eindrücklicher Weise nachvollziehbar gemacht, weshalb es nach 1945 noch einmal eine Generation dauern sollte, bis das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. In ihrer Arbeit analysiert Stämpfli nicht nur drei Jahrzehnte Schweizer Geschichte unter einer geschlechtsspezifischen Fragestellung, sie lässt auch wichtige Frauen der damaligen Zeit zu Wort kommen, über die nichts in den Geschichtsbüchern zu lesen ist.

Zu Beginn ihrer Arbeit referiert Stämpfli die Debatte über das Staatsbürgerrecht und ihre Verknüpfung mit zwei wichtigen gesellschaftlichen Bereichen: mit der Wehrpflicht und mit der Erwerbsarbeit. Sie nimmt damit Bezug auf die damals herrschende Definition des männlichen Bürgers als Wehrpflichtiger und als Alleinernährer der Familie und signalisiert damit, dass sie sich in ihrer Arbeit nicht auf militärische Aspekte beschränkt – wie dies der Untertitel ihrer Publikation unglücklicherweise suggeriert –, sondern dass sie auch den wesentlichen gesellschaftlichen Bereich der Erwerbsarbeit mit berücksichtigen will.

Bei der einleitenden Skizzierung der staatsrechtlichen Diskussionen im 19. und frühen 20. Jahrhundert über das Frauenstimmrecht verweist Regula Stämpfli namentlich auf die Verknüpfung von Wehrpflicht und Stimmrecht, welche in der Schweiz besonders stark war und auch von den Frauen geteilt wurde. Diese plädierten denn auch neben der politischen Gleichberechtigung für eine Wehrpflicht für Frauen, allerdings als Spezialkategorie. Die offizielle Politik sah jedoch im zwanzigsten Jahrhundert anstelle der politischen und wirtschaftlichen Gleichstellung der Frauen deren partielle Integration in die Kriegswirtschaft vor, indem sie die allgemeine Zivildienstpflicht für Männer und Frauen einführte (1918), den Luftschutz der Zivilbevölkerung, der für alle verbindlich war (1934) und eine Arbeitspflicht auch für Frauen und Ausländer (1938).

Wie sich die Frauen selber im Zusammenhang mit dem Militär engagierten, zeigt Stämpfli im Kapitel über die «Soldatenstuben», welche vom «Verband Soldatenwohl» erstmals im Ersten Weltkrieg und in enger Zusammenarbeit mit der schweizerischen Armee betrieben wurden. Die Frauen in den Soldatenstuben sorgten einerseits für alkoholfreie, preisgünstige Verpflegung der Soldaten und schufen für diese einen Ort familiärer Wärme. Mit der Betonung von mütterlichem Handeln und familiärem Vermitteln – die Frauen wurden sogar «Soldatenmütter» genannt – knüpften die Frauen an ihre Geschichte im 19. Jahrhundert an, als sie in der Abstinenzbewegung aktiv waren und die Differenz der Frauen gegenüber den Männern betonten. Den Soldatenstuben war ein ausserordentlicher Erfolg beschieden: Während der vier Jahre Grenzbesetzung waren fast tausend solcher Lokale im Einsatz.

In den zwanziger Jahren setzte bei der Frauenbewegung eine Aufbruchstimmung ein, der vorerst auch die Niederlagen bei Frauenstimmrechtsvorlagen in mehreren Kantonen keinen Abbruch taten. Vielmehr führte die Erkenntnis, dass auch die Diskriminierung der Frauen im Wirtschaftsleben eine Gleichstellung behindere, zu einer Radikalisierung. Als jedoch anfangs der dreissiger Jahre manche bürgerliche Partei mit frontistischen Ideen zu sympathisieren begann, unternahmen die Frauenorganisationen grosse Anstrengungen, um den reaktionären Erneuerungsbewegungen Gegensteuer zu geben, was schliesslich zur Gründung der «Arbeitsgemeinschaft Frau und Demokratie» führte. Ab Mitte der dreissiger Jahre jedoch schon gaben die Frauenorganisationen ihre antitotalitäre Ausrichtung auf und betonten zunehmend die Volksgemeinschaft. Damit war die Forderung nach politischer Gleichstellung definitiv auf Eis gelegt. Mitarbeit und Integration waren nun bei den Frauenorganisationen angesagt und es wurde die traditionelle Meinung geteilt, dass es eine männliche und eine weibliche Staatsfähigkeit gebe. Stämpfli umschreibt diesen Wandel mit «Nationalisierung der Frauenfrage» und «patriotischer Integration der Frauen in den bürgerlichen Staat».

Wesentlich für die Integration der Frauenverbände in den Staat war, so Stämpfli, dass die demokratische Entscheidfindung in der Schweiz durch Notrechterlasse ersetzt und die Referendumsdemokratie eingeschränkt war. Im Rahmen des Vollmachtenregimes des Bundesrates verhandelten Bundesrat und einzelne Departemente direkt mit den Spitzenvertretern der Wirtschaft und der Landwirtschaft – und auch mit den Frauenverbänden, insbesondere dem katholisch-konservativen Frauenbund und dem Schweizer Landfrauenverband. Gefragt war in der Kriegswirtschaft namentlich das Wissen der Frauen um Ernährungsproduktion, -vorrat und -verteilung. Die Frauenverbände wurden daher verschiedentlich konsultiert und hauptsächlich mit der Durchführung der beschlossenen Massnahmen beauftragt.

Zu den beeindruckenderen Teilen der Publikation gehört das Kapitel mit dem Titel «das Geschlecht der Anbauschlacht». Hatte Regula Stämpfli bereits im früheren Kapitel über die Erwerbsarbeit dargelegt, dass der Anteil der erwerbstätigen Frauen von 1910 bis 1941 rückläufig war (von 34% auf 29%), so zeigte sie nun bei ihren Ausführungen über die Anbauschlacht auf, wie gering damals die Wertschätzung der ausserhäuslichen Arbeitskraft der Frauen war: Sie wurde hauptsächlich als subsistenzsichernde Hilfskraft wahrgenommen, die nach Bedarf eingesetzt werden konnte.

Die Anbauschlacht, vom damaligen Chef der Abteilung «Produktion und Hauswirtschaft» im Kriegsernährungsamt und dem späteren Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen, entwickelt, zielte auf weitgehende Selbstversorgung ab. Dies bedingte primär eine Umstellung von der Viehwirtschaft auf den arbeitsintensiven Ackerbau, der lohn- und arbeitsmässig wenig attraktiv war. Vor diesem Hintergrund verordnete der Bundesrat für Frauen wie Männer eine Arbeitsdienstpflicht. Diese war für die Landwirtschaft umso wichtiger, als zur Zeit des Zweiten Weltkrieges kaum mehr Ausländer in der Schweiz waren und weil die Ausdehnung der Wehrpflicht auf Männer bis 60 Jahre viele Kräfte absorbierte; dazu kam, dass Männer ohne Aussicht auf Beschäftigung häufig in der Armee belassen wurden. Die Arbeitsdienstpflicht wurde so vor allem auf jene gesellschaftliche Gruppen angewendet, die weder existenzsichernde Löhne noch Arbeitsplatzsicherung verlangen konnten: die Frauen und die Jugendlichen. Der Frauenanteil stieg in der Anbauschlacht denn auch rasant an, von 20% (1941) auf fast 40% (1945). Verglichen mit der normalen Wirtschaft war der Frauenanteil in der Anbauschlacht also deutlich höher, was Stämpfli den Schluss ziehen lässt, die Anbauschlacht sei das Einsatzgebiet der Frauen in der Schweiz gewesen.

Die letzten drei Kapitel der Publikation von Regula Stämpfli widmen sich zitatenreich und zum Teil etwas detailfixiert dem zivilen und militärischen Frauendienst. Galten die finnischen Lottas den interessierten Schweizer Frauen als militärisches Vorbild, so wurde doch nie ernsthaft in Erwägung gezogen, eine Frauenarmee zu schaffen. Die helfende, nicht die kämpfende Frau war gefragt (auch bei den Frauenorganisationen). Helfen bedeutete hier im Wesentlichen: Lücken in der Wirtschaft füllen, welche durch Einberufung der Männer ins Militär entstanden waren, sowie im Sanitätsdienst, in Fürsorgeeinrichtungen oder als Autofahrerinnen mitwirken. Dabei wurde seitens der offiziellen Politik grossen Wert darauf gelegt, dass die Mitarbeit der Frauen in Wirtschaft und Militär nicht als Staatspflicht deklariert wurde, sondern als Hilfe; eine Verpflichtung könnte, so wurde befürchtet, erneute Stimmrechtsforderungen nach sich ziehen. Und so schafften es Bundesrat und Parlament nach dem Zweiten Weltkrieg nochmals, im alten Trott weiterzufahren, obwohl das Frauenstimmrecht mittlerweile in fast allen europäischen Staaten eingeführt worden war, und auch in der Schweiz auf eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Ebene verstärkt gefordert wurde.

In ihrem Buch gibt Regula Stämpfli einen guten und engagierten Überblick über die Situation und Rolle der Frauen zwischen 1914 und 1945. Sie zitiert eine Fülle von Quellen, die ihre Darstellung farbenreich illustrieren. Stämpfli scheint jedoch vor diesen Quellen in formaler Sicht zu viel Respekt zu haben, denn sie zitiert sie teilweise derart extensiv, dass diese ein Eigenleben bekommen und der rote Faden der Arbeit manchmal verloren geht. Dies vermag jedoch das Verdienst von Regula Stämpfli nicht zu schmälern, dass sie mit ihrer Publikation die zwanziger, dreissiger und vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinsichtlich der Situation der Frauen in der Gesellschaft und der Aktivitäten der Frauenverbände aufgearbeitet und damit eine Lücke in der politischen Geschlechterforschung in der Schweiz geschlossen hat.

 

Bibliographie

HARDMEIER, Sibylle (1997). Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz (1890–1930). Argumente, Strategien, Netzwerk und Gegenbewegung. Zürich: Chronos.

VOEGELI, Yvonne (1997). Zwischen Hausrat und Rathaus, Auseinandersetzungen um die politische Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz 1945–1971. Zürich: Chronos.