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Das gab es in Bern noch nie. Mit einer gemeinsamen Liste wollen die Grüne Freie Liste und das Grüne Bündnis ein drittes Mandat im Nationalrat erringen.
«Die grünen Gruppierungen Berns raufen sich zusammen: Die SP herausfordern?»,
in Wochen-Zeitung (WoZ), Nr. 22, 3. Juni 1999.
Noch im letzten Jahr sah es so aus, als sollte das Spiel der Eigenprofilierung der diversen grünen Gruppierungen im Kanton Bern weitergehen. Um ihre Ansprüche für die Wahlen 1999 zu unterstreichen, nominierten die beiden grösseren grünen Gruppierungen Grüne Freie Liste (GFL) und Grünes Bündnis (GB) bereits im Sommer 1998 je eine Kandidatin für den Ständerat: das GB seine Nationalrätin Franziska Teuscher, die GFL die ehemalige Nationalrätin und FL-Mitbegründerin Rosmarie Bär. Im Herbst entschied dann die SP, dass sie mit der bekannten Konsumentenschützerin und politischen Quereinsteigerin Simonetta Sommaruga in den Ständeratswahlkampf ziehen wolle. Im Sinne des seit mehreren Jahren verfolgten Konzepts des RotGrünMitte-Bündnisses im Kanton Bern bot sie den Grünen an, gemeinsam in den Ständeratswahlkampf zu ziehen. Damit war es an den Grünen, sich auf eine Kandidatur zu einigen – und bei diesen Gesprächen kam einiges in Bewegung.
Mitte Februar präsentierten GFL und GB die Ergebnisse ihrer Verhandlungen: Die gemeinsame grüne Kandidatin für den Ständerat ist Rosmarie Bär. Für Sitze im Nationalrat bewerben sich die beiden grünen Gruppierungen auf einer gemeinsamen Wahlliste. Diese wird angeführt von den Bisherigen Franziska Teuscher (GB) und Ruedi Baumann (GFL). Nur halbwegs nachvollziehbar ist dabei die Regelung, dass die beiden Bisherigen kumuliert aufgeführt werden. Aus der Sicht des kleinen GB war es zwar wünschenswert, dass ihre Kandidatin etwas geschützt wurde. Dass diese Schutzklausel jedoch auch für Ruedi Baumann beschlossen wurde, befremdet: hat er als Bisheriger, als Präsident der Grünen Partei Schweiz (GPS) und als erprobter Arena-Kämpfer doch gegenüber der Konkurrentin Rosmarie Bär ohnehin einen Vorsprung – und Wahlen sollten doch auch noch etwas Offenes haben! Diese nicht besonders demokratische Lösung bedeutet, dass Teuscher und Baumann, falls nichts Ausserordentliches geschieht, gewissermassen im Schlafwagen wieder in den Nationalrat fahren und dass, falls die Grünen noch ein drittes Mandat holen, dieses wohl an die Ständeratskandidatin Bär gehen dürfte. Die Chancen für ein drittes Mandat hängen davon ab, ob die Grünen ihre Stimmenverluste bei den Grossratswahlen wieder wettmachen können und ob es ihnen gelingt, die Stimmen des Landesrings der Unabhängigen (LdU) an sich zu binden. Letzteres sollte nach der jüngsten Absichtserklärung des politisch halbtoten kantonalen LdU möglich sein: Dieser will Nationalrat Markus Ruf, der den Schweizer Demokraten im letzten Jahr den Rücken gekehrt und bei der SVP vergeblich Unterschlupf gesucht hat, politisch Asyl gewähren und mit ihm als Spitzenkandidaten in die Nationalratswahlen ziehen.
Unterschiedliche «politische Kulturen»
In kaum einem anderen Kanton sind die grünen Gruppierungen derart stark von ihrer Geschichte geprägt wie im Kanton Bern. Das Trennende zwischen den einzelnen Gruppierungen bleibt – allen Veränderungen zum Trotz – das Konstante; und bei manchen Grünen gelten mittlerweile unterschiedliche Positionen, welche bei anderen Parteien allenfalls unterschiedlichen Parteiflügeln zugeschrieben werden, gar als unterschiedliche «politische Kulturen». Auch wenn solche Einschätzungen mehr rückwärts und innen- denn zielgerichtet sind, bringen sie doch historisch und soziologisch bedingte Unterschiede zum Ausdruck, die für Grüne zwar nicht einmalig sind, in Bern jedoch eine besondere Ausprägung haben. Die liberalgrüne Grüne Freie Liste (GFL) und das linksgrüne Grüne Bündnis (GB) sind heute die wichtigsten Exponentinnen der grünen Politik im Kanton (vgl. Kasten). Bei den Nationalratswahlen 1991 war die GFL der grosse Glückspilz, da sie mit einer Parteistärke von 8 Prozent, die statistisch nur gerade 2,4 Mandaten entsprach, vier Mandate einheimste. 1995 schlug das Pendel in die andere Richtung aus, und die GFL gehörte zu den grossen Pechvögeln: Sie verlor stimmenmässig drei Prozentpunkte und brach gar von vier Mandaten auf ein Mandat ein. Dabei war der Verlust des dritten Mandates durch ein wenig durchdachtes Manöver mit einer eigenen Senioren-Liste selbst verschuldet: Diese Liste erhielt zwar nur 0,2 Prozent der Stimmen; dadurch aber, dass sie innerhalb des grünen Listenbündnisses die GFL konkurrenzierte, verhalf sie dem nur halb so starken GB zu seinem ersten Nationalratsmandat. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass GFL und GB, die mit ihren unterschiedlichen Parteistärken (5 Prozent bzw. 2,5 Prozent) über je ein Mandat im Nationalrat verfügen, ihre Ellbogen gebrauchten, als es um die Vorbereitung der Nationalratswahlen 1999 ging: Die GFL hofft auf ein zweites Mandat, das GB auf das Halten des einen. Solche Hoffnungen könnten sich jedoch nur erfüllen, wenn die Grünen drei Mandate erhielten, was angesichts des Trends in der Parteienlandschaft in Bern nicht einfach sein dürfte. Den Grünen steht als konkurrierende Bündnispartnerin die SP gegenüber, welche mit einer Männer- und einer Frauenliste in die Wahlen zieht; dabei dürfte namentlich die Frauenliste die gleichen WählerInnen ansprechen wie die beiden grünen Gruppierungen.
Ein Wahlbündnis mit Perspektiven?
Der Schritt zur gemeinsamen Wahlliste hebt die Unterschiede zwischen den beiden Formationen nicht auf. Im Gegenteil: Der kürzlich erfolgte Eintritt der LdU-Leute in die GFL dürfte das liberale Element eher stärken; und das GB wird von den Gewerkschaften immer mehr als ein «zugewandter Ort» betrachtet. Diese Differenzen finden insofern noch eine Verstärkung, als sie nach wie vor geografisch unterschiedlich verankert sind: die Liberalgrünen sind auf dem Land und die Rotgrünen in der Stadt beheimatet. Vielleicht könnte eine Orientierung auf die nationale und internationale Politik solche Unterschiede als etwas weniger gewichtig erscheinen lassen. Dies bedingte jedoch, dass das GB der GPS beitreten würde, was von der GFL unterstützt wird. Im GB gibt es dagegen seit geraumer Zeit Widerstände, welche zum Teil verständlich sind. Nicht nur befindet sich die GPS seit einiger Zeit in einem Formtief; es will ihr auch nicht gelingen, sich als farbige Oppositionspartei zu definieren. Im Gegenteil: bei jeder Gelegenheit bietet sie sich als Juniorpartnerin für den Bundesrat an, und es fallen ihr keine interessanteren Themen für eine nationale Volksinitiative ein als eine Reform der Kantonseinteilung – eine Forderung, die auch aus der jungfreisinnigen Küche stammen könnte. Allen solchen Bedenken zum Trotz: Es braucht links der Mitte neben der SP eine Organisation mit nationaler Handlungsfähigkeit. Eine solche ist nicht nur nötig für das politische System der Schweiz mit seiner Konkordanzregierung und der direkten Demokratie, auch die SP profitierte in ihrer Geschichte stets, wenn sie geistig unter Druck gesetzt wurde. Gegenwärtig bietet sich einzig die GPS als solches Gefäss an. Dieser Meinung waren auch die grünen, feministischen und roten Kräfte in Basel, als sie sich im Januar 1999 voller Enthusiasmus auf die gemeinsame Wahlliste «Das Bündnis» einigten (siehe WoZ 8/99). Der Schritt der Berner Grünen zur gemeinsamen Wahlliste, etwas zurückhaltender als in Basel, könnte ebenfalls in diese Richtung gehen. Informationen über die Tauglichkeit eines solchen Projekts werden die Nationalratswahlen im kommenden Herbst geben.
Die Würzeln der Berner Grünen
Die Grüne Partei Bern (GPB) Die Freie Liste (FL) Das grüne Bündnis (GB) |